Cem wer?

Hatte man sich als politisch interessierte Person gerade in den Koalitionsvertrag der Ampel eingelesen und wenig überrascht vernommen, dass Bündnis90/Die Grünen das Ressort für Ernährung und Landwirtschaft bekommen sollen, da verursacht der parteiinterne Streit bei den Grünen um die Personalia des zuständigen Ministers das erste Stirnrunzeln. Irgendwie wurde ja sehr schnell deutlich, dass sich weder die SPD noch die FDP um dieses Ministerium drängen würden. Auch wenn es sich vielleicht viele neue FDP-Wähler gewünscht hätten. Ein „Grüner“ war also gesetzt und es geisterten die ersten Namen umher: Steffi Lemke, Jürgen Trittin und Anton Hofreiter schienen die wahrscheinlichsten Köpfe für dieses nach unser aller Verständnis so wichtige Ressort. Nun also Cem Özdemir!? Alles bringt man mit diesem Politiker in Verbindung, sicher jedoch nicht eine Nähe zur Landwirtschaft. Hier hat er im Gegenteil mit Äußerungen über abgeschnittene Rüssel in der Schweinehaltung oder mit einem Fotostatement mit Hanfpflanze für ungläubiges Erschrecken gesorgt. Bei ihm denkt man an seine kritische Haltung zu autokratischen Regimen, wie denen in der Türkei und Russland. Überhaupt spiegelt sich im politischen Wirken von Cem Özdemir eher ein großes Interesse für Fragen der Außenpolitik und der Politik der inneren Sicherheit wieder. Da ist die Frage berechtigt, warum nicht er, sondern Frau Baerbock die Außenpolitik der Ampelregierung vertreten soll. Dies kann man als Nichtmitglied von Bündnis 90/die Grünen nicht nachvollziehen, muss es aber zum Glück auch nicht. 

Dem argwöhnischen Stirnrunzeln folgt also als nächstes ein Schulterzucken und man wendet sich diesem Herrn Özdemir nun länger zu. Da fällt zum einem sein bravouröses Wahlergebnis mit über 40 Prozent als Direktkandidat im Wahlkreis Stuttgart I zur Bundestagswahl 2021 auf. In der heutigen Zeit ein beachtliches Ergebnis! Im Netz kann man sich seine Reden im Bundestag ansehen und es fällt durchaus auf: Er kann Dinge auf den Punkt bringen! Bei weiteren Recherchen verfestigt sich immer mehr der Eindruck, es hier mit jemandem zu tun zu haben, der sich seine Meinung durch Zuhören und Recherche bildet, der seinem Gegenüber interessiert und nicht voreingenommen gegenüber tritt und jemandem, der in der Sache hart diskutiert, ohne es an Respekt mangeln zu lassen. 

Inzwischen, einige Stunden nach Bekanntgabe der Personalia Cem Özdemir, gibt es die ersten Reaktionen aus dem landwirtschaftlichen Sektor. War erst in reflexartiger Empörung zu hören: „Schon wieder jemand ohne Bezug zur Landwirtschaft!“ oder „So etwas wie mit den Schweinen geht gar nicht!“, mischt sich langsam eine gewisse Erleichterung (es hätte wirklich schlimmer kommen können!) zu einer Art verhaltenem Optimismus.

 „Was haben wir Landwirte ein Glück gehabt! Cem Özdemier, dieser profilierte und fähige Politiker als Landwirtschaftsminister!“ Diese Bemerkung einer befreundeten Landwirtin bringt es eventuell auf den Punkt! Man könnte meinen, dass Robert Habeck mit seiner Erfahrung als Schleswig Holsteinischer Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt an dieser Personalentscheidung auf Bundesebene nicht unbeteiligt war. Hatte er im Norden doch gelernt, mit den Landwirten zu reden, um Fronten aufzubrechen, und das dürfen wir sicher auch von Cem Özedemir erwarten und ihm die Chance geben, die er verdient! 

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