Im Zusammenhang mit der Internationalen Grünen Woche etablierte sich der Samstag zu Beginn dieser jährlichen, weltgrößten Verbrauchermesse in Berlin in den letzten Jahren zu einem Tag der Demonstrationen für bzw. gegen die konventionelle Landwirtschaft. Mit „Wir haben es satt!“ fordern NGOs und Vertreter des Ökologischen Landbaus sowie Anhänger der Partei Bündnis 90/Die Grünen seit Jahren eine Agrarwende. Eine Initiative von Agrarbloggern in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bauernverband steht dieser Forderung mit der Aussage „Wir machen Euch satt!“ gegenüber.
In diesem Jahr nahm erstmalig der neue Bundeslandwirtschaftsminister, Cem Özdemir, an „Wir haben es satt!“ teil.
Auf große Zustimmung bei allen Teilnehmern und darüber hinaus stießen Özdemirs Äußerungen zur Wertigkeit deutscher Lebensmittel und der Verpflichtung des Lebensmitteleinzelhandels und der verarbeitenden Betriebe, wie z.B. der Schlachtbranche, für angemessene Erzeugerpreise und gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Wer will dem widersprechen? Eine Äußerung jedoch, eher beiläufig getätigt und doch in den Medien zitiert, macht nachdenklich: Auf die Frage, wie denn beim zum Teil kapitalintensiven Umbau der Landwirtschaft soziale Härten auf den Betrieben aufgefangen werden sollen, antwortet der Bundeslandwirtschaftsminister sinngemäß: Landwirtschaftspolitik ist keine Sozialpolitik, dafür wären andere zuständig.
Das sehen wir anders! Für uns ist Landwirtschaftspolitik zuallererst Sozialpolitik, befriedigt sie doch eines der Grundbedürfnisse der Gesellschaft und legt damit den Grundstein für unseren Wohlstand: Sie sichert durch die Bereitstellung qualitativ hochwertiger und preiswerter Agrarprodukte unsere Ernährung! Vielleicht kann sich dies in unserer Wohlstandsgesellschaft bis auf die älteren Mitbürger niemand mehr vorstellen, aber Hunger bzw. Mangel an Nahrungsmitteln ist der soziale Sprengstoff überhaupt. Überall auf der Welt, wo Menschen Hunger leiden, sehen wir soziale Spannungen. Aber Berichte im Fernsehen stumpfen ab und den Urlaub verbringen die wenigsten von uns dort, wo man Hunger begegnet. Im Gegenteil! Es gibt den Spruch „Wenn es dem Bauern gut geht, geht es auch der Gesellschaft gut!“. Leider nimmt man ihn in der Öffentlichkeit kaum wahr, geht er doch in der Berichterstattung über die Bauernproteste der letzten Jahre unter. Es ist aber wahr: Eine Gesellschaft, in der es Landwirten mehrheitlich schlecht geht, verspielt die Grundlage ihres Wohlstandes, auch in Zeiten der Globalisierung! Wie empfindlich das Geflecht internationalen Handels auf Krisen wie Corona oder politische Konflikte reagiert, haben die letzten beiden Jahren gezeigt.
Vieles wird leider für viel zu selbstverständlich genommen. „Wir sind einfach (zu) satt!“