Eine gute Freundin von mir lebt seit vielen Jahren in London. Vor wenigen Wochen war sie im Land unterwegs und postete auf Facebook ein Foto von leeren Regalen in einem walisischen Supermarkt. Ähnliche Bilder hatten wir vorher schon in den sozialen Medien gesehen, gerne auch als witzige Memes verpackt. Und teilweise mit einer kleinen Prise Schadenfreunde. Das haben sie nun davon, die Briten und ihr Brexit. Haben wir es doch gleich gesagt.
Aber wenn es von jemandem kommt, den man kennt. Also auch im wirklichen Leben, wird es schlagartig real und hinterlässt ein beklemmendes Gefühl. Wenn keine Lebensmittel im Supermarkt vorhanden sind, hat das dramatischere Folgen als wenn das Klopapier aus ist. Dann kann es im Supermarkt schnell ungemütlich werden.
Obwohl die britischen Bauern den Selbstversorgungsgrad in den vergangenen Jahren teilweise gesteigert haben, ist die Bevölkerung auf Importprodukte angewiesen. Bei Milchprodukten sagen die letzten verfügbaren Zahlen 85 % und 60 % bei Schweinefleisch (Stand 2019). Ein weiteres großes Problem ist der Mangel an ausländischen Arbeitnehmern für Ernte und Transport.
Aber wie sieht das bei uns aus? Besteht auch hier die Gefahr, dass wir auf einmal vor leeren Regalen stehen?
Natürlich ist das bei Importprodukten, wie Südfrüchten usw. die hier nicht produziert werden, eine andere Frage, als bei Produkten aus dem eigenen Land. Doch unsere Selbstversorgungsgrade bei heimischen Produkten sehen auch sehr unterschiedlich aus. Schaut man sich die vom BMEL veröffentlichten Zahlen (Stand 2018) an, liegt Deutschland bei Fleisch, Milch und Kartoffeln über 100 Prozent, bei Gemüse, Obst, Eiern und Getreide aber weit darunter. Dies ist besonders interessant, wenn man berücksichtigt, dass die Foodtrends hin zu fleischarmer und pflanzenbasierter Nahrung gehen.
Die Selbstversorgung kann aber nur durch die heimische Landwirtschaft sichergestellt werden und konkurriert schon lange mit den „neueren“ Betriebszweigen wie Energieerzeugung und Umweltleistungen.
Daher ist die Frage nach dem „was wollte ihr?“ von der Erzeugerseite verständlich.
Bei importierten Lebensmitteln müssen sich Verbraucher und Politik nicht mit den unangenehmen Begleiterscheinungen, wie Tier-, Umwelt-, Klima- und Arbeitnehmerschutz, rumärgern. Dafür fehlen aber oft auch die Einflussnahme oder gar Transparenz über Produktionsbedingungen.
Ist die Frage der Selbstversorgung in einer globalisierten Welt überholt oder aktueller den je? Welche Weichen soll die Politik stellen? Wollen wir für die Grundnahrungsmittel eine Selbstversorgung von ca. 100 % oder ist es ok, wenn wir in Teilen auf Import angewiesen sind?
Wie würdet Ihr entscheiden?
Bildquelle: Anna Jens