Oma soll umziehen! Echt jetzt?

Ende Februar dieses Jahres schlug ein Essay von Nils Wischmeyer in der Süddeutschen Zeitung vom 23.02.2024 (https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/immobilien-wohnungstausch-senioren-rentner-grossstaedte-familien-e761900/?reduced=true) hohe Wellen und manch langjähriger Abonnent drohte sogar mit einer Kündigung.

Anlass waren die Ausführungen über die allgemeine Wohnungsnot und die Überlegung, den vorhandenen Wohnraum „gerechter“ zu verteilen. Insbesondere ältere Menschen wohnen oft in Wohnungen, die für deren Familie ehemals groß genug waren. Mit dem Wegzug der Kinder und dem Tod des Partners/der Partnerin, bleibt dann mehr Wohnraum für die langjährige Mieterin, den langjährigen Mieter. Aufgrund von Altverträgen, bei denen die Miete nur gemäß geltendem Mietrecht erhöht werden kann, existieren damit für die heutige Zeit sehr attraktive Wohnverhältnisse. Es werden Statistiken zitiert, die belegen, dass im Jahr 2022 fast ein Drittel aller Alleinlebenden über 65 Jahre auf mindestens 100 Quadratmetern wohnen. Im Schnitt wohnen Alleinlebende über 65 Jahre auf 83 Quadratmetern. In dem besagten Beitrag wird darüber spekuliert, wieviel leichter es z.B. Familien mit Kindern bei der Wohnungssuche hätten, wenn die älteren Herrschaften ihre Wohnung räumen müssten. Abgesehen davon, dass dieser Vorschlag an den Grundfesten unserer Verfassung rüttelt, die das Recht am Eigentum garantiert, verdeutlicht er einen wesentlichen Unterschied zwischen Stadt und Land: Auf dem Dorf gibt es nicht „die Oma“, dort kennt man sich persönlich oder zumindest den Namen der älteren Herrschaften, die inzwischen allein in ihren Häusern wohnen. Man weiß um deren Familiengeschichten und was es für sie bedeutet, in IHREM Haus mit all seinen Erinnerungen alt werden zu dürfen. Niemand würde auf die Idee kommen, ihnen ihr Haus zu nehmen und sie zwangsweise in eine kleine Wohnung umzusiedeln! Nicht, weil es auf dem Land genügend Wohnraum gäbe, sondern aus Respekt vor diesem Teil der Dorfgemeinschaft. Der Wohnungsnot versucht man durch attraktive Angebote an barrierefreien, kleineren Wohnungen zu begegnen. Diejenigen, die sich auch im Alter noch einen Umzug vorstellen können, möchte man mit diesem Angebot die Möglichkeit geben, in ihrem sozialen Umfeld alt zu werden. Alles basiert auf Freiwilligkeit und ältere Mitbürger/-innen, die dieses Angebot annehmen, genießen großen Respekt in der Dorfgemeinschaft. Mehrheitlich kann man nachempfinde, was dieser Schritt für diese Menschen bedeutet. Das nennt man Empathie! Es gibt Momente, da sind wir besonders froh und dankbar, auf dem Dorf groß geworden zu sein!

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