Ein Statement von Boris Palmer, ehemaliges Mitglied der Grünen und Bürgermeister von Tübingen, im Nachgang zur Europawahl am 9. Juni 2024 kann in diesem Blog nicht unbehandelt bleiben.
Die vielen Stimmen für eine in fast allen Bundesländern vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachteten Partei ließ auf keiner Wahlparty die Korken fliegen. Vielmehr ging es an die Analyse der Gründe für die Stimmgewinne der AfD in den einzelnen Wählergruppen. Bei den Jungwählern zog die AfD mit 17% der Stimmen mit der CDU gleich.
Boris Palmer erklärt sich das gute Abschneiden der AfD bei den 16 bis 24-jährigen Wählern so: „Wer mit jungen Leuten in Kontakt ist, der weiß worum es geht. Sie sind von der allgemeinen Teuerung stärker betroffen. Grüner Klimaschutz scheint ihnen nicht bezahlbar. Und sie erleben täglich an der Front, was die irreguläre Migration bedeutet. Die allein eingereisten Männer verändern vor allem das Lebensumfeld junger Menschen. Im Park, im Club, auf der Straße, im Bus, am Bahnhof, auf dem Schulhof.“
Beschreibt dies die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen in ganz Deutschland? Gibt es mitten in unserem friedlichen Land ein „Leben an der Front“? Wir beschäftigen uns in diesem Blog ja mit den Unterschieden in Stadt und Land. Hier haben wir einen! Beim Lesen des Posts von Boris Palmer bin ich ehrlich erschrocken, denn solche Szenen sind mir fremd. Nicht, weil ich nicht mehr 20 bin, sondern weil ich eher ländlich wohne. Hier auf dem Dorf gibt es aktuell zahlreiche Erfolgsstorys von jungen Migrantinnen und Migranten zu erzählen. Diese finden über die Arbeit, z.B. in der Landwirtschaft, den Weg in die Gemeinschaft. Zunächst wird über sie gesprochen. Wie lern- und arbeitswillig sie seien. Wie froh man ist, dass man sie als Mitarbeiter nach unendlichem bürokratischem Aufwand endlich einstellen konnte. Sie würden so gut Englisch(!) sprechen und auch die deutsche Sprache ganz schnell lernen. Dann spricht man im Dorf mit ihnen, weil sie grüßen, wenn man ihnen begegnet statt nach unten oder auf ihr Handy zu schauen -über dieses Verhalten hatten wir hier in anderem Zusammenhang schon einmal geschrieben. Zu schön, um wahr zu sein, mag der ein oder andere jetzt vielleicht denken. Tatsächlich passiert aber auch genau das in Deutschland. Sicher öfter als man meint! Nur werden diese Erfolgsstorys nicht so oft erzählt, wie „Geschichten von der Front“, wie sie Boris Palmer nennt. „Only bad news are good news“ lautet eine Devise im Journalismus. Es scheint unrealistisch, dass diese Erfolgsgeschichten nur auf dem Land passieren und vielleicht gehen sie in der Wahrnehmung des städtischen Alltags auch unter? Irgendwie wäre das meine Hoffnung! Sollte die Darstellung von Boris Palmer keine Überspitzung der Realität mit dem Zweck, die Gesellschaft/Politik aufzurütteln, sein, haben wir als Gesellschaft und hat unsere Demokratie ein gravierendes Problem!
Auf jeden Fall aber können wir uns folgender Aussage von Herrn Palmer anschließen:
„Unsre Demokratie schützt man nicht, indem man die Leute ständig belehrt, sondern nur, wenn man ihre Anliegen ernst nimmt und Probleme löst.“