Einige meiner schönsten Kindheitserinnerungen sind die Abende in der Ernte. Wenn die Sonne untergegangen ist und der Tau eingesetzt hat, so dass es zu nass zum Weiterdreschen ist.
Wenn Papa und sein Kompagnon (auch so ein Wort aus der Vergangenheit) den letzten Wagen Korn und den Mähdrescher in die Scheune gefahren haben, mit schwarzen Gesichtern vor Staub und Schweiß, weil Maschinen mit Kabinen, geschweige denn Klimaanlagen noch längst nicht Standard waren.
Wenn nach dem langen Tag das laute Saug-Druck-Gebläse, dass das Korn von der Schüttgrube ins Silo beförderte, ausgemacht wurde und man überrascht war wie ohrenbetäubend Stille sein konnte.
Dann trafen sich alle am Küchentisch und es wurde alles aufgefahren, was sonst nicht zu einem normalen Abendbrot gehörte. Wir Kinder waren für die Versorgung mit Limonade, Bier und auch dem einen oder anderen klaren Schnaps zuständig.
Wir haben den Erntegeschichten der Erwachsenen gelauscht und die Jugendlichen, die schon Trecker fahren durften, beneidet.
Wie war der Ertrag und wie hoch die Feuchtigkeit? Gab es Probleme mit Lagergetreide oder gar Maschinenbruch? Wie viele Tage würde man noch brauchen und hielt das Wetter? Alles spannend, alles aufregend, aber auch alles friedlich.
Als wir vor einigen Wochen in einer Diskussion über Landwirtschaft nach diesen Erinnerungen gefragt wurden, kam die Frage auf, ob das heute immer noch so ist. Ob diese Ernteabende heute noch diesen Zauber haben oder ob dies durch die Änderungen in der Landwirtschaft und auf den Betrieben verloren gegangen ist.
Ist es noch selbstverständlich, dass nach getaner Arbeit alle zusammenkommen? Oder gehen heute, im Hinblick auf mehr Fremd-Arbeitskräften und weniger Familienanschluss, alle ihrer Wege? In der Erntezeit haben alle eine hohe Arbeitsbelastung und es natürlich mehr als verständlich, dass Arbeitnehmer auch in dieser Zeit zu ihren Familien möchten bzw. das die Mitarbeiter des Lohnunternehmers zum nächsten Auftrag müssen.
Ich glaube, dass dieser Zauber auch heute noch da ist. Nur eben „in modern“. Und dass, die Bauernkinder von heute später auch an diese Abende zurückdenken werden. Wenn wir unsere Väter nach ihren Ernteerinnerungen fragen würden, würden darin Pferden noch eine große Rolle spielen und Dreschmaschinen, die vom ganzen Dorf genutzt werden. Und, dass es undenkbar war, dass jeder Betrieb eigene Trecker und sogar oft einen eigenen Drescher hatte. Was für ein Unterschied zu meiner Kindheit und zu heute. Und trotzdem hat jede Zeit ihren eigenen Zauber und jede Generation ihre eigenen Ernteerinnerungen.
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