Das Wort Agrarwende ist in aller Munde. Von vielen Seiten wird es an die Landwirtschaft herangetragen. Aber was bedeutet es eigentlich. Im Sport ist eine Wende eine Richtungsänderung um 180 Grad. Dies impliziert, dass vorher alles falsch gelaufen ist und die Landwirtschaft grundsätzlich und vollständig in die falsche Richtung unterwegs ist. Und daher eine Kehrtwende, ein „volle Kraft voraus in die entgegengesetzte Richtung“, notwendig macht.
Was auch heißt, dass alles bisherige schlecht war und zukünftig alles ganz anders gemacht werden muss.
Aber stimmt das wirklich? Waren alle in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen, besonders wenn sie richtungsweisend waren, falsch? Hierzu lohnt sich der Blick in die Vergangenheit. Die großen agrarpolitischen Entscheidungen werden seit Jahrzehnten in Brüssel getroffen. Nach Ende des zweiten Weltkrieges stand die Ernährung der Bevölkerung durch Ausbau der Produktion im Fokus. Ende der 60er wurde die Markt- und Preispolitik mit Instrumenten wie Exporterstattungen und Interventionspreisen eingeführt. Anfang der 90er Jahre wurde das System der Direktzahlungen eingeführt, welche Mitte der 00er-Jahre von der Fläche entkoppelt wurde. Im Jahr 2015 kam dann das Greening hinzu. Alle diese Schritte hatten zu ihren Zeiten eine Bewandnis, haben aber nicht immer zum gewünschten Erfolg geführt. Aus heutiger Sicht kennt man auch oft die Gründe dafür. Hier handelt es sich aber um einen klassischen Rückschaufehler, d.h. mit dem Wissenstand von heute ist es leicht Entscheidungen als falsch zu einzuordnen. Aber damals hatte niemand eine Glaskugel und konnte in die Zukunft schauen.
Natürlich muss man aus der Vergangenheit lernen und wenn heute die Weichen für die Zukunft gestellt werden, ist es wichtig, alle möglichen Konsequenzen so gut es geht zu überdenken. Aber für zukünftige Entwicklungen ist das natürlich nur begrenzt möglich. Und eine Glaskugel haben wir heute leider auch nicht zur Verfügung.
Der Blick auf die vergangenen Zeiten zeigt aber auch, dass die Landwirtschaft sich immer den neuen Gegebenheiten und Erwartungen angepasst hat. Nur eben mit ihrem eigenen Tempo. Landwirte denken nicht in Quartalszahlen. Ernten sind an Jahreszeiten und Tierproduktion an Lebenszyklen gebunden. Dies vergessen leider viele mit der Forderung eines schnellen, sofortigen Wandels einer ganzen Branche.
Die Landwirtschaft hat sich immer auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt. Sie haben produziert was der Verbrauer nachfragte, unter den Bedingungen, die die Politik vorgab. Es gab immer einen Wandel und den wird es auch zukünftig geben. Das Wort „Wende“ aber löst bei Landwirten und Verbrauchern negative Assoziationen aus. Es stigmatisiert eine ganze Branche und sorgt nicht für mehr Verständnis füreinander. Verständnis des Verbrauchers für den Landwirt und seine Sorgen und Verständnis des Landwirts für den Verbraucher und seine Ansprüche. Wir brauchen ein Wort, was diesen Prozess positiv für beide Seiten darstellt. Aber welches? Lasst uns alle gemeinsam überlegen… auch das wäre schon ein Anfang!
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