Vor einigen Wochen wunderten wir uns über einen PKW, der gegen 22:00 Uhr auf der Auffahrt zum Hof hielt und kurze Zeit später davonfuhr. Am nächsten Morgen fanden wir an dieser Stelle zwei offensichtlich ausgesetzte Haushähne, noch jung und wahrscheinlich Brüder. Einer ließ sich fangen und konnte in ein neues Zuhause abgegeben werden, der zweite war zu schnell. Allerdings wurde ihm in der darauffolgenden Nacht erneut Gesellschaft eines zweiten Hahnes beschert, augenscheinlich wieder im Dunkeln ausgesetzt. Diese beiden Hähne haben eine hohe Fluchtdistanz und lassen sich nicht fangen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie irgendwelchen Räubern, wie Fuchs, Habicht oder Marder, als Mahlzeit dienen. Fragen in der Nachbarschaft ergaben, dass auf den Höfen in der Umgebung von einem Pärchen gefragt wurde, ob man Interesse an Hähnen hätte, was jedoch alle verneinten. Dann also einfach aussetzen!?
Wenn man aufgrund solcher Ereignisse anfängt, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, erfährt man Erschreckendes: Rund 500.000 Haustiere werden laut Tierschutzverbänden jährlich in Deutschland ausgesetzt. Peta und „Vier Pfoten“ weisen regelmäßig vor den Schulferien auf ansteigende Fallzahlen hin. Waren es früher an Autobahnraststätten angebundene Hunde, werden diese heute oft direkt vor Tierheimen angebunden oder in Transportboxen abgestellt. Aber auch Fälle, in denen die Tierhalter den Mitarbeitenden in den Tierheimen drohen, sie würden die Tiere im Wald aussetzen, würde man sie ihnen nicht abnehmen, treten vermehrt auf. Da mutet die Erzählung eines Tierparkbetreibers, der von einer regelmäßig vor den Ferien steigenden Anzahl von Zwergkaninchen und Meerschweinchen in seinem Streichelgehege berichtete, noch nett an.
Allein in diesem Sommer kam es in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei weiteren außergewöhnlichen Fällen: Am Wegesrand zum Strand fand der Mitarbeiter der Gemeinde eine Bartagame. Ein Exot, der in Australien beheimatet ist und in unserer Natur nicht vor- geschweige denn zurechtkommt. Vor kurzem entdeckte ein Junge in einer mit Wasser gefüllten Plastikflasche in einem Mülleimer Goldfische, die er zum Glück in einem Gartenteich der Nachbarschaft einsetzen durfte. Die Bartagame wurde dem Ordnungsamt und dann fachmännischer Betreuung übergeben.
Was ist mit unserer Gesellschaft los? Brauchen wir vielleicht einen Befähigungsnachweis, damit man sich ein Haustier anschaffen darf? Bei landwirtschaftlichen Betrieben, wo der Landwirt eine Ausbildung im Bereich der Tierhaltung hat, wird dessen Arbeit kritisiert aber das eigene, private Haustier tierschutzwidrig „entsorgt“? Dass jemand aufgrund sich ändernder Lebensbedingungen, wie z.B. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Tod, sein Haustier abgeben muss, ist nachvollziehbar und für solche Fälle sind Tierheime ja auch da. Dass man es sich aber in Bezug auf ein Lebewesen kurzfristig „einfach mal anders überlegt“ hat eine ganz andere Qualität. Es heißt, dass man eine Gesellschaft daran erkennt, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Zählt man auf menschliche Betreuung angewiesene Haustiere dazu, steht es nicht gut um uns!