Aktuell werden die Sorgen jeden Morgen beim Blick in die Zeitung ein bisschen größer. An das Wort „Krise“ haben wir uns ja schon gewöhnt. Den schlimmen Ausdruck „Krieg“ lesen wir nun seit fast fünf Monaten täglich in der Zeitung. Dann kamen Begriffe wie „Stagflation“, „Inflation“ und – wenig später – „Weltwirtschaftskrise“ hinzu.
Wir lesen von „Hunger als Waffe“, einem bevorstehenden „Bibber-Winter“ und den wieder stark steigenden Coronainfektionen.
Alles macht nicht nur sehr besorgt, mir macht es auch Angst. Vor den kommenden Monaten, vor sozialen Verwerfungen, vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Aber auch Angst vor weiteren weltweiten Auseinandersetzungen, vor einem Gegeneinander statt einem Miteinander und vor so viele Leid überall auf der Welt.
Vor einiger Zeit sah ich einen kurzen Bericht in einer Nachrichtensendung. Es wurde von einer Mutter aus Afrika berichtet. Leider erinnere ich das Land nicht mehr. Sie war mit ihrem kleinsten Kind in ein Krankenhaus gekommen. Es war ca. 1,5 Jahre alt, stark abgemagert und krank. Die Reporter erzählten ihre Geschichte. Sie hatte acht Kinder. Aufgrund der anhaltenden Missernten und Krankheiten waren bereits vier Kinder verstorben. Den verbleibenden vier ging es auch nicht gut, dem Kleinsten ganz besonders. So nahm sie ihn und ging mit ihm die 90 km zu Fuß zum nächsten Krankenhaus, da sie kein weiteres Kind verlieren wollte. Bericht zu Ende, keine Ahnung ob es ein Happy End gibt.
Laut der Vereinten Nationen haben sich die vom Hunger bedrohten Menschen in den besonders betroffenen Ländern Afrikas, wie z.B. in Somalia oder Nigeria, gegenüber 2019 bis zu vervierfacht. Und die Prognosen sehen düster aus.
Der Bericht der afrikanischen Mutter will nicht mehr aus dem Kopf. Das große Leid dieser Frau, die wahrscheinlich jünger als ich ist, die die Entscheidung treffen musste, welches Kind sie versucht zu retten. Das Kind, gleich alt wie mein Kind, dass keinen Einfluss auf seine Situation hat. Ich muss immer wieder daran denken.
Und gleichzeitig, schlage ich dieselben Zeitungen auf und sehe dieselben Nachrichtensendungen und es wird darüber debattiert, ob ein gewisses Lied auf Volksfesten gespielt werden darf, wie ein Bundesminister seine Hochzeit zu feiern hat und dass Flugpassagiere länger für die Abfertigung brauchen.
Diese Diskussionen kommen mir dann unnötig, ja lächerlich vor. Aber sind sie das wirklich? Ist es nicht notwendig, zwischen all diesen „Hiobsbotschaften“ einmal durchzuatmen? Gehört es nicht dazu, sich auch über vermeintliche „Nichtigkeiten“ auszutauschen und auch aufzuregen, um den Sorgen nicht den ganzen Raum zu überlassen?
Und ist es nicht auch eine ganz persönliche Sache, was für einen Wichtig ist und was nicht?
Ich werde wohl noch oft an die afrikanische Mutter denken, auch wenn ich nie erfahren werden, wie die Geschichte ausgeht.
Und in der Zwischenzeit höre ich mir nochmal das gewisse Lied an… man muss ja mitreden können.
Quellen: https://pixabay.com/de/photos/afrika-armut-kind-dorf-brauchen-1783786/; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1255272/umfrage/hungerkrisen-weltweit/