Du Bauer, du!

Es ist schon viele Jahre her. Irgendwann während des Agrarstudiums war ich mit ein paar Freunden, allesamt Agrarstudenten, in einem großen Einkaufszentrum in Kiel. Während wir uns mit allem Möglichen für die nächste WG-Party eindeckten, überholte uns eine kleine Gruppe Jugendlicher. Drei, vier maximal fünf Jungs, sicherlich noch nicht volljährig und eindeutig aus einem städtischen Milieu. Sie waren laut, kabbelten sich und rangelten. Als der eine es etwas übertrieb, bekam er von seinem Freunden zu hören: „Du bist so´n Bauer, Du!“

Meine Freunde und ich schauten uns an und konnten nicht glauben, was wir da gehört hatten. Seit wann waren wir denn ein Schimpfwort? Und was war damit gemeint? War es das ungehobelte laute Auftreten? Oder das Tollpatschige mit dem Wagen gegen das Regal fahren? So richtig habe ich dies nie verstanden, aber auch nie vergessen.

Und dann letzte Woche. Das große Kind hatte Besuch und beim Abendessen wollten sie Stoppessen spielen. Oh ja, alles klar, kenn ich noch von früher. Stip. Stop. Prinzessin, Schnecke, Rennläufer, Bauer, … ???

Moment mal, Bauer? Was ist denn mit Bauer gemeint? Mit den Händen essen und rülpsen, wurde ich aufgeklärt.

Da war der Moment wieder, wie vor 20 Jahren. Wie kommt sowas? Warum gibt es in Teilen der Öffentlichkeit so ein Bild über die Landwirte? Hat es mit den vermeintlich schmutzigen Tätigkeiten auf dem Feld und im Stall zu tun? Haben so viele Menschen schlechte Erfahrungen mit Landwirten gemacht?

Ich habe immer einen ganz anderen Blick darauf gehabt. Insbesondere während der Partyzeit von Schule, Lehre und Studium sind die Jungs, die von den Höfen kamen immer durch eher gute Manieren und einen ordentlichen Kleidungsstil aufgefallen. Das Klischee der Karohemden ist ja bekannt, aber noch ein weiteres Detail hat auf den Scheunenfesten immer die Bauernjungs verraten, ein Blick auf die Schuhe reichte. Ordentlich geputzt Lederschuhe, höchstens mal Bootsschuhe.

Ich kenne es so, dass auf den Höfen nach wie vor Wert auf ein höfliches Miteinander und gute Manieren gelegt wird. Und das über „bitte“, „danke“ und dem Handschlag zur Begrüßung hinaus. Auch die häufige Anwesenheit von wechselnden Lehrlingen und der damit verbundene Erziehungsauftrag spielt hier sicherlich mit rein.

Aber woher kommt dann „Bauer“ als Schimpfwort? Das ist viel älter als gedacht und es gibt verzeichnete Fälle aus dem 18. Jahrhundert. Damals gab es wahrlich einen eklatanten Unterschied in Bildung und Alltag zwischen Bauernstand auf dem Land und Bürgertum in der Stadt. Dieses wurde mit der Industrialisierung und der damit verbundenen Urbanisierung noch befeuert. Und man wollte sich als vermeintlich vornehmerer Stadtbewohner von der hart arbeitenden Landbevölkerung absetzen.

Wenn man heute auf den Trend nach dem Leben auf dem Land blickt, fragt man sich, wann es ein entsprechendes Schimpfwort in die andere Richtung gibt. Oder ich kenne es wohl nur einfach nicht…

Bildquelle: https://pixabay.com/de/illustrations/bauer-h%C3%BChner-k%C3%BCken-bauernhof-8587092/

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